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"Weiter Himmel"

Franz Schuberts op. 25 „Die schöne Müllerin“ mit dem Tenor Daniel Johannsen und dem Alinde Quartett am 14.09.2023 um 19:30 Uhr in der Meistersingerhalle auf Einladung des Privatmusikvereins

Als sich der Himmel für den Müllersburschen in Franz Schuberts „Die schöne Müllerin“, op.25, so richtig weitet, liegt er bereits am Grunde des trügerischen oder tröstenden – das liegt in diesem Fall nah beieinander – Baches und blickt nach oben: Und der Himmel da oben, wie ist er so weit. Hätte er sie nur durchziehen können, diese Weite jenseits des irdischen Bächleintals. Das wollte er doch im Fluchtreflex: Ziehen in die Welt hinaus, hinaus in die weite Welt. Und als er das singt, der mehlweiße Müllersbursch, da ist er wegen der unerwiderten Liebe zum Müllerskind schon durch schmerzvolle Ahnungen gegangen, und der Jubel „Die geliebte Müllerin ist mein“, ist verhallt. Von wegen, den Jäger liebt sie und schwatzt dem da noch ahnungslosen Handwerksburschen sein grünes Lautenband ab, weil sie alles von ihm bekommen könnte, dem Vernarrten, dem Verlornen, der anfangs so heiter dem Bächlein folgt zur brausenden Mühle hin.

Daniel Johannsen gibt dem Müllersburschen, der mit seinem unglücklich verliebten Urheber Wilhelm Müller verschmilzt, lyrisch, vielfarbig, mimisch und gestisch untermalt, lebhaften stimmlichen Ausdruck. Sein wandernder Müllersbursch wird im Laufe der zweiundzwanzig Lieder aus den Sieben und siebzig nachgelassenen Gedichten aus den Papieren eines reisenden Waldhornisten vom naiven Jüngling zum reiferen Manne, der einen Gefährdungskeim im Herzen trägt.

Begleitet wird Johannsen vom Alinde Quartett, das Tom Randles Umdeutung des Schubertschen Klaviersatzes für Streichquartett folgt. Eine interessante Forderung fürs Publikum, das sich in der Klavierbegleitung vermutlich traulich eingewohnt hat. Das Streichquartett bietet neue Möglichkeiten z.B. der Polyphonie oder gar der Onomatopoesie, wenn es das „Nicken“ und „Blicken“ des „Tränenregens“ pizzicato unterstreicht. Tenor D. Johannsen hat so gleich vier mitfühlende Begleiter, die aufheitern, gar zum Tanz auffordern und letztlich mit ihm leiden. Dem Alinde Quartett gelingt es, den Sänger zu stützen und loszulassen, doch bildet es auch einen eigenen, samtigen Klangkörper von hoher Präsenz.
 

Am 16.08. diesen Jahres sagte der österreichische Autor, Robert Schneider, in einem Interview auf den Seiten von „crescendo“:
„Wäre ich »Schubert-Minister«, würde ich glatt fünfzig Jahre lang Schubert verbieten, damit sich seine Musik erholen kann, denn sie ist uns nichts mehr wert“. „Die schöne Müllerin“, der Auftakt der Konzertreihe 2023/2024 des Privatmusikvereins, beweist an diesem herausragenden Abend das Gegenteil.

Ulrike Bauermeister-Bock

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