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Britische Trias

Adelphi Quartett, 14. März 2024, 19:30 Uhr, Meistersingerhalle

Das vielfach preisgekrönte, 2017 in Salzburg gegründete Adelphi-Quartett trägt die Brüderlichkeit im Namen, auch wenn sich mit der Spanierin Esther Agustí Matabosch an der zweiten Violine ein Schwesterlein eingeschlichen hat. Matabosch, Maxime Michaluk (erste Violine/ Belgien), Adam Newman (England) an der Viola und der deutsche Cellist Nepomuk Braun, stellen das Gefühl, berühren zu können, in den Vordergrund und wollen „Zusammenfinden“ - untereinander und mit dem Publikum. Sie suchen, was uns in unserer Verschiedenheit eint, und damit wird ihr Spiel in der heutigen Zeit nahezu zum Politikum.

Im 16. Jahrhundert prägen die Gamben und Lauten der Consortmusik die musikalische Tradition Englands, die bis hin zur experimentellen Musik der heutigen Zeit oft eigene Wege zu gehen scheint. Das Adelphi-Quartett hebt drei Werke britischer Komponisten aus der „Splendid Isolation“ der Insel aufs Festland. Noch nie widmete sich ein Abend des Privatmusikvereins ausschließlich englischen Komponisten, stellt Herr Scheder in seiner Einführung fest. Er betont auch, dass in allen Werken, am wenigsten bei Bridge, Dissonanzen eine tragende Rolle spielen. Auch in diesem Sinne ist es wohltuend, dass es den Adelphis gelingt, solche „Missklänge“ dergestalt zu verschmelzen, dass nichts Trennendes entsteht, sondern musikalische Vielfalt.

Das Konzert beginnt mit vier Fantasias für Gambenconsort von Henry Purcell, dem schon zu Lebzeiten der Ehrentitel „Orpheus Britannicus“ verliehen wurde. Sie ließen sich hervorragend auf das Streichquartett übertragen. Hier erweist sich das Adelphi-Quartett als ernster Geschwisterreigen, der seinem Spiel jenen sanft verhangenen Hauch gibt, der noch der Gambenmusik eigen war. 1906 verfasst der Pazifist Frank Bridge, der jenseits der britischen Insel wenig bekannt ist, „Three Idylls for String Quartet“. Es sind Idyllen mit Blues. Die Streichertöne bleiben dunkel, doch vor allem im Allegro con moto in C-Dur lassen die Adelphis musikalische Schmetterlinge über die verhangene Grundierung tanzen. Ob das wohl daran liegen mag, dass Bridge die „Idyllen“ seiner späteren Ehefrau Ethel Elmore Sinclair gewidmet hat? Vielleicht ist der berühmteste Schüler von Bridge Benjamin Britten. Sein Streichquartett Nr. 2 greift das C-Dur des Allegros von Bridge auf. Er komponierte das Werk zum 250. Todestag von Henry Purcell, dem er im Finalsatz mit einer „Chacony“, einem barocken Tanzsatz, ein Denkmal setzt. Es wurde am 21. November 1945 in der Wigmore Hall uraufgeführt. Hier schließt sich wieder ein kleiner Kreis zu den Adelphis, die 2022 beim Wigmore-Hall-Wettbewerb ausgezeichnet wurden. Bei Britten zeigt sich im besonderen Maße, wie tief das Adelphi Quartett bereits zu gegenseitigem Verständnis vorgedrungen ist. Der Abend schließt mit Brittens Alla Marcia in der Zugabe.

Das Adelphi-Quartett erweist sich in diesem Konzert als junge, ernste und ernst zu nehmende Formation, die angetreten ist, dem traditionellen Streichquartettprogramm ein paar alte Zöpfe abzuschneiden. Der heutige Abend kann als musikalischer Wunsch nach Einheit und Verständigung gelesen werden, der nicht nur Europa dienlich wäre. „Alle Menschen werden Brüder (Adelphis)!“, möchte man rufen. Besser noch: Geschwister!
 

Ulrike Bauermeister-Bock

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