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Kreatives Chaos

Chaos String Quartet, Donnerstag, 9. Oktober 2025, 19:30 Uhr, Meistersingerhalle

Herrn Scheders Einführung legte nahe, dass das Chaos-Quartett, das am 09.10.25 auf Einladung des Privatmusikvereins in der Kleinen Meistersingerhalle gastierte, seinen Namen nicht von chaotischen Zuständen ableitet, sondern im Chaos den Ursprung der Kreativität sieht. Es gibt also überhaupt keinen Grund, sich vor diesem europäischen Quartett zu fürchten.

Susanne Schäffer und Eszter Kruchiò an den Violinen, Sara Marzadori an der Viola und Bas Jongen am Violoncello bilden ein zupackendes, unerschrockenes Kleeblatt, das vor Experimenten so wenig zurückschreckt wie der erste Komponist, den sie an diesem Abend zu Gehör bringen: Joseph Haydn. Wer ihn gern als „Papa Haydn“ vertätschelt, wird in seinen Sonnenquartetten op. 20, deren erstes diesen Abend eröffnete, eines Besseren belehrt. Scheder machte es schon in der Einführung klar: U.a. Tonleiterfragmente und Terzparallelen weisen weit über die Wiener Klassik hinaus und verbinden sein op.20/1 mit Bélá Bartók , dessen Streichquartett Nr.3 das zweite Werk war, das an diesem Abend dargeboten wurde. In diesem erkannte Theodor W. Adorno „neuen Reichtum“ im Kontrapunkt, in der Melodik und Harmonik sowie im Klang. Neben Haydn und Bartók wirkt Johannes Brahms nach der Pause nahezu altväterlich oder neoklassisch, alle die Brahms lieben mögen mir dies verzeihen. 1875 entstand sein Streichquartett Nr.3 op.67. Besonders hervorgehoben hat Brahms selbst den dritten Satz, den er als zärtlich und leidenschaftlich zugleich beschrieb. Auffällig ist die führende Rolle der Bratsche, eindringlich zelebriert von Sara Marzadori.

Das vielfach preisgekrönte Chaos-Quartett spielt energetisch aufgeladen und gleichwohl musikalisch ausgewogen. Vor allem Haydns 20/1 verleihen die vier erstklassigen Musiker*innen hochdynamische Spannung. In Bartóks Nr.3 zeigt sich durch ihr Spiel der tänzerische Charakter des Werks. Dafür Begabte könnten hier gedanklich eigene Choreografien entwickeln. Gewiss spitzen viele im Publikum die Ohren, um die musikalischen Raffinessen, auf die sie die Einführung hingewiesen hatte, auch wirklich nicht zu verpassen. Das Chaos-Quartett entließ das reichlich herbeigeströmte Publikum nicht nur mit einem versöhnlich „niedlichen“ Brahms, sondern auch mit zwei großzügigen Zugaben.

U.Bauermeister-Bock

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